Verdrängung ist ein natürlicher Mechanismus des menschlichen Denkens und Fühlens:
Dinge, die uns in unserem Selbstwert, in unserer Selbstachtung oder in unserem Selbstbild „bedrohen“, werden in das Unterbewusste geschoben. Alles, was „nicht in unsere Welt passt“, weil es nicht in unsere Vorstellung von uns selbst integriert werden kann, wird häufig weggedrängt und „vergessen“. Eine Beschäftigung mit diesen Dingen hätte zur Folge, dass wir Um-Denken, Um-Fühlen oder Um-Handeln müssten – d.h. wir müssten uns und unsere Vorstellung von der Welt ändern.
Verdrängung ist nichts prinzipiell Schlechtes.
Sie dient dazu, mit schwierigen Erlebnissen oder Gefühlen nicht ständig konfrontiert zu sein, um nicht zu viele kognitive und emotionale Ressourcen zu binden, kurz: damit wir in der Welt, wie sie uns im Moment umgibt, noch handlungsfähig sind.
Handlungsfähig zu sein und zu bleiben ist wichtig. Wenn wir im Außen nicht mehr handlungsfähig sind, bricht ein großer Teil unseres Lebens zusammen.
Wie drogensüchtige Junkies
Nur sind viele Menschen dabei, die Verdrängung etwas zu übertreiben. Sie blicken nicht mehr ehrlich auf sich und ihr Leben und übersehen dadurch Dinge, die durchaus geändert werden könnten – und eigentlich dringend geändert werden sollten!
Sie verhalten sich wie drogensüchtige Junkies, die leugnen, ein Problem zu haben – und daher dieses Problem auch nicht lösen können. Aus der Sucht-Therapie weiß man, dass eine Behandlung nur dann überhaupt Sinn macht, wenn der Süchtige erkennt und annimmt, dass er ein Problem hat.
Natürlich ist jede Änderung mit Aufwand verbunden. – Niemand behauptet, dass es leicht ist, etwas zu ändern, das man an sich selbst nicht mag. Aber Entwicklung bedeutet Veränderung, wer sich gegen Änderung wehrt, wehrt sich gegen die eigene Weiterentwicklung.
Individuelle Verdrängung
Welche Dinge es sind, die verdrängt werden, ist von Mensch zu Mensch natürlich verschieden: beim Einen sind es familiäre Unstimmigkeiten, beim Anderen ist es eine schlechte Angewohnheit, wieder andere könnten einfach mehr sie selbst sein...
Was man individuell weg drängt, kann man durch eine ehrliche Innenschau erkennen – oder indem man Familie und Freunde fragt. Denn die sehen meist sehr genau, wo bei uns „der Hund begraben liegt“ – da sie sich nicht durch unsere Schwächen oder Traumata bedroht fühlen, können sie klarer und unvoreingenommener auf die Situation blicken und uns wertvolle Klarheit bringen.
Kollektive Verdrängung
Was wir Menschen kollektiv verdrängen, ist etwas schwieriger in den Griff zu bekommen – Warum? Weil wir uns gegenseitig in unserer Verdrängung bestärken. Damit schaffen wir ein gemeinsames verzerrtes Bild der Wirklichkeit. Und jeder, der an diesem Bild rüttelt, wird abgelehnt, schlecht gemacht oder verfolgt.
Ein Beispiel dieser „Betriebsblindheit“ ist die Vorstellung, nur in anderen Staaten gäbe es so etwas wie Ungerechtigkeit und Korruption, während in Deutschland alles transparent und „mit rechten Dingen“ zugehe. Dass dies nicht der Fall ist, zeigt sich in „Kleinigkeiten“: Wer hat nicht schon mal eine Baugenehmigung nicht bekommen, während der Nachbar, der jemandem im Ausschuss kennt, alles mögliche genehmigt bekommt? Oder gemerkt, dass Straßen ausgebessert wurden, die es wirklich nicht nötig hatten, während andere in sehr schlechtem Zustand jahrelang verbleiben? – Es gibt noch viele, viele Beispiele ganz unterschiedlicher Größenordnung.
Die Menschen bekommen natürlich Erklärungen dafür – nur sind die meist oberflächlich (und falsch).
Wer traut sich wirklich, diese Dinge zu hinterfragen?
Korruption und Lobbyismus
Die Welt scheint zu glauben: „Korruption gibt es nur in Russland“ – und ich gebe diesen Menschen Recht: In Deutschland nennt man das gleiche Vorgehen „Lobbyismus“ – und jeder findet das völlig in Ordnung.
Die kollektive Verdrängung sagt: „Naja, das sind Kleinigkeiten, auch in einer guten Gesellschaft läuft eben nicht alles optimal...“ – Dass dadurch eine notwendige Klärung und Änderung der Verhältnisse verhindert wird, wird –
verdrängt...
(Selbst-)Erkenntnis und Entwicklung brauchen Mut!
Beginnt in kleinen Schritten, nur bitte: macht einen Anfang!
– Egal, in welchem Bereich.